Huch, was macht denn der Elefant plötzlich im Meetingraum? Das haben wir uns schon bei vielen Kundenterminen gedacht. Denn wenn es darum geht, was die Mitarbeitenden in Unternehmen aktuell beschäftigt, gibt es immer wieder Themen, bei denen in der Internen Kommunikation mit einem Mal das große Schweigen herrscht.
Rassismus, Gendern, Tierversuche, Rechtsextremismus, Korruption, sexuelle Belästigung – das Spektrum dieser Tabuthemen ist breit. Der Umgang damit ist jedoch fast immer der gleiche: Lieber gar nichts sagen, bevor man das Falsche sagt. Aber ist das der richtige Weg?
Was sind Tabus?
Auch wenn wir Tabus oftmals als etwas Negatives einordnen, sie haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Als besondere Art von Normen geben sie uns vor, wie wir uns in einer Gesellschaft zu verhalten haben. Sie schaffen Strukturen, Orientierung und ein Zugehörigkeitsgefühl. So auch in Unternehmen.
Ein Tabu zu thematisieren, kann interne Strukturen durcheinanderbringen, die Belegschaft spalten oder ein Image – und damit das Vertrauen der Mitarbeitenden ins Unternehmen – beschädigen. So die weitverbreitete Angst.
Wenn Tabus sich wandeln
Aber Tabus sind auch wandelbar. Verändert sich mit der Zeit eine Kultur – auch eine Unternehmenskultur – , ändern sich auch ihre Tabus. Und Tabubrüche helfen, veraltete Strukturen zu überwinden und sich neu zu orientieren.
Viele gesellschaftliche Themen, die vor nicht allzu langer Zeit tabuisiert waren, werden heute offen diskutiert. Bewegungen wie #metoo oder #blacklivesmatter haben Rassismus und sexuelle Belästigung in den öffentlichen Diskurs gebracht.
Schweigen wird nicht länger als Lösung für Probleme gesehen, sondern als Teil der Probleme. Diese Entwicklungen gehen auch an Unternehmen nicht unbemerkt vorbei. Die Forderungen nach Offenheit und Transparenz werden immer lauter. Unternehmen geraten in Zugzwang.
Wie umgehen mit Tabu-Themen in der Unternehmenskommunikation?
Totschweigen von Tabuthemen ist also keine Option, stattdessen gilt es, einen sensiblen, gut konzipierten Umgang mit ihnen zu finden und konsequent umzusetzen. Im richtigen Kanal, mit den richtigen Formaten und genügend zeitlichen und personellen Ressourcen. Diese Fünf Tipps helfen in der Praxis:
1. Wer Meinungsbilder lenken will, muss Themen setzen, bevor sie zu Selbstläufern werden. Wenn etwas gesellschaftlich ein Thema ist, ist es das im Flurfunk auch schon längst. Ein Thema aufgreifen bedeutet dabei nicht, direkt eine Meinung zu vertreten oder eine Stellungnahme des Vorstands zu veröffentlichen. Oft reicht schon der Hinweis: Wir haben das Thema erkannt und beschäftigen uns damit.
2. Heiße Eisen lassen sich leichter in geschützten Räumen diskutieren, also Räumen in denen sich Mitarbeitende wie Führungskräfte frei äußern können, ohne bewertet zu werden. Das können persönliche Foren und Gesprächsrunden, Workshops oder auch ein Mitarbeitermagazin sein.
3. Kommunikation zu Themen wie Rassismus, sexuelle Belästigung oder anderen „Null-Toleranz-Themen“ nach dem Motto „Das hat bei uns keinen Platz“ wird der Sache nicht gerecht. Große Konzerne sind Spiegelbilder der Gesellschaft. Wenn es in der deutschen Bevölkerung 10 Prozent AfD-Wähler:innen gibt, dann gibt es sie im Unternehmen auch.
4. Wenn die Kommunikation zu konkreten Fällen zu heikel ist, kann das Thema auch allgemein behandelt werden. Themen können auch kampagnenartig aufgegriffen oder erklärend behandelt werden, statt von persönlichen Schicksalen zu berichten. Der richtige Dreh macht den Unterschied!
5. Mutig sein! Debatten auch mal aushalten und daran wachsen. Ein offener, selbstreflektierter Umgang mit Tabuthemen stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden in das Unternehmen. Und im Zweifel ist eine interne Debatte besser, als wenn das totgeschwiegene Thema zur externen Krise wird.
Das große Schweigen gab es auch, als wir potenzielle Interviewpartner für unseren Podcast „Federführend“ angesprochen haben. Über Tabuthemen wollte keiner reden – komisch. Schließlich haben wir doch noch zwei Expertinnen gefunden. Wir analysieren, warum Tabuthema nicht gleich Tabuthema ist, lassen uns von Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Melanie Hellwig erklären, wie Tabus überhaupt funktionieren, und Rebekka Schnell, Editorial Lead, Internal Communications Roche, berichtet, wie das Pharmaunternehmen das heikle Thema „Tod“ behandelt hat.