Herr Müller-Dofel, Sie veröffentlichen Podcast-Gespräche über Interviews und betreiben die Internetseite „Alles über Interviews“. Woher kommt Ihr Faible für diese Darstellungsform?
Ich finde, dass der persönliche Dialog zwischen zwei Menschen sehr interessant sein kann, wenn er richtig gestaltet ist.
Wie gestaltet man ihn denn richtig?
Meiner Meinung nach brauchen Kommunikatoren für ein gutes Interview drei Dinge. Erstens: Echte Wertschätzung für den Gesprächspartner. Wie sich interviewende Kommunikatoren für den Termin kleiden oder wie sie ihre Interviewpartner ansprechen, ist mitentscheidend für die Gesprächsatmosphäre. Zweitens sollten Interviewer richtig zuhören und auf Gesagtes reagieren. Unerfahrene Interviewer neigen oft dazu, sich an ihren vorbereiteten Fragenkatalog zu klammern. Sie sollten aber auch nachhaken oder Antwortaspekte weitergehend vertiefen, wenn sie interessant sind. Drittens: Auch offene statt vor allem tendenziöse Fragen stellen.
Sie haben doch sicher ein Beispiel für eine tendenziöse Frage?
Zum Beispiel zum Chef der IT-Abteilung: „Ihr Softwareprojekt braucht länger als geplant. Was haben Sie falsch gemacht?“ Auf solche tendenziösen Fragen reagieren Interviewpartner häufig sehr abwehrend, weil sie das Gefühl haben, dass der Interviewer sich seine Meinung bereits gebildet hat. Eine weichere, offene Version der Frage wäre: „Warum dauert das Softwareprojekt länger als geplant?“
Was sind weitere typische Fehler, die in Interviews gemacht werden?
Viele Interviews und Interviewtexte lassen die Gesprächspartner langweilig wirken. Ich versuche bei Coachings immer zu vermitteln, dass ein gut geschriebenes Interview den Gesprächspartner als schlauen, kompetenten Ansprechpartner positionieren kann. Das funktioniert allerdings meist nur dann, wenn der Gesprächspartner überzeugende Antworten gibt, statt nur Weichgespültes zu antworten.
Wie verhindert man denn, dass ein Interview im Autorisierungsprozess nochmal komplett umgeschrieben wird?
Der Interviewer sollte Änderungen, die den Interviewtext handwerklich begründbar verschlechtern, mit dem Gesprächspartner besprechen. Viele Mitarbeiter in Unternehmen kennen die Zutaten für starke Texte und Interviews nicht. Es gehört zu den Aufgaben von Unternehmenskommunikatoren, die Kollegen zu informieren, was gute Interviews und gute Interviewtexte ausmacht. Und sie sollten ihre Kommunikationsarbeit auch mal verteidigen. Erst wenn die Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation als Kommunikationsexperten respektiert werden, werden Autorisierungsschleifen abnehmen.
Weiterführende Links zum Thema Interview
Alles über Interviews
Die Webseite ist aus dem Portal „Gesprächsführung“ der Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage hervorgegangen und bietet von der ersten Interviewanfrage bis zur Autorisierung wichtige Handwerktipps zum Thema „Interview“.
Journalisten Werkstatt: Das Interview
Werkstatt-Heft aus dem Medienfachverlag Oberauer mit zahlreichen Tipps, wie Interviews richtig gut werden.