Der Finanzchef ist irritiert. Warum kommt die Klinikdirektorin nicht allein? 20 Menschen drängeln sich an diesem Frühlingstag 2017 im Besprechungsraum des Universitätsklinikums Regensburg. Eigentlich wollte er das Budget der Klinik für Innere Medizin I nur mit Prof. Dr. Martina Müller-Schilling besprechen. Doch dann stehen außer der Klinikdirektorin fast zwei Dutzend Mitarbeiter vor der Tür. „Meine ersten Budgetgespräche habe ich – wie alle Klinikdirektoren – allein mit dem Vorstand geführt“, sagt Müller-Schilling. „Aber irgendwann habe ich mich gefragt: Wie soll ich eigentlich meinen leitenden Mitarbeitenden klarmachen, wie wichtig Kostenbewusstsein ist?“
Wer das Gesamtbudget aus eigener Anschauung kennt, ist noch einmal stärker motiviert, selbst einen Beitrag zu leisten, denkt sich die Gastroenterologin. Und nimmt beim nächsten Vorstandstermin einfach alle Oberärzte und Bereichsleiter der Pflege mit. Ein Novum, das wie alle Neuerungen erst einmal für Irritationen sorgt.
Die Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Regensburg ist eines von vielen Krankenhäusern, die neue Wege gehen. Das scheint in der deutschen Kliniklandschaft auch nötig. Klar ist: Kliniken müssen sich wandeln, um als Arbeitsplatz attraktiv zu bleiben. Weniger bekannt ist, dass dieser Wandel vielerorts längst begonnen hat. Während die Öffentlichkeit noch über die Krisen des Gesundheitssystems diskutiert, wagen Krankenhäuser überall in der Republik Neues. Mit positiven Folgen für ihre Mitarbeiter, aber auch für das eigene Budget.
Klinik zum Wohlfühlen
Als Martina Müller-Schilling vor sieben Jahren die Klinik für Innere Medizin I des Regensburger Universitätsklinikums übernimmt, führt sie schnell neue Schwerpunkte ein. Spezialisierungen wie ein neues Leberzentrum bringen es mit sich, dass die Klinik immer schwerere Fälle von anderen Krankenhäusern zugewiesen bekommt und leichtere abgibt. Die Klinik fokussiert sich auf hochkompexe endoskopische und intensivmedizinische Fälle.
Für die Mitarbeiter steigt mit der Spezialisierung der Druck. „Wir haben uns gefragt: Wie können wir in einer solchen Situation attraktiv bleiben?“, erinnert sich Diplom-Pflegewirtin Anna Mahnke, die den Pflegedienst der Klinik leitet. „Wie schaffen wir es, dass sich die Leute bei uns wohlfühlen und gern hier arbeiten?“
Die Lösung, die Müller-Schilling und Mahnke 2016 gemeinsam entwickeln, heißt: interprofessionelle Zusammenarbeit. „Menschen fühlen sich an einem Arbeitsplatz wohl, wenn sie beteiligt und mitgenommen werden“, sagt Müller-Schilling. Warum also nicht in allen Bereichen – Klinik, Forschung, Lehre und Management – mehr Zusammenarbeit wagen? Aus dieser Idee wächst in drei Jahren etwas, was heute unter dem Begriff „Regensburger Modell" bundesweit bekannt ist.
Kommunikation und Mitbestimmung
Als Erstes synchronisiert die Klinik die Zeiten von Pflege und Ärzteschaft. Alle Fortbildungen werden zusammengelegt und haben heute einen pflegerischen und einen ärztlichen Teil. Wissenschaftliche Studien werden gemeinsam erdacht und veröffentlicht. Über Managementthemen werden alle Mitarbeiter bei regelmäßigen Strategieklausuren auf dem Laufenden gehalten. Und auch die Ausbildung ist interprofessionell: Im Oktober 2019 wurden ein Skills Lab und eine Ausbildungsstation eröffnet, in denen Pflegeschüler und Medizinstudierende gemeinsam lernen.
Der Erfolg des „Regensburger Modells“, das 2019 mit dem zweiten Platz beim Innovationspreis für interprofessionelle Projekte im Gesundheitswesen ausgezeichnet wurde, lässt sich messen. „Die Mitarbeiter sind heute sehr viel zufriedener und motivierter als vor der Umstellung“, sagt Müller-Schilling. Hinzu kommt: Obwohl die neue Mitbestimmung Zeit kostet, hat die Klinik auch wirtschaftlich profitiert. Für Anna Mahnke ist das Projekt ein Argument für eine Trendwende in der Diskussion um den Arbeitsplatz Klinik: „Ich glaube, dass es in diesen Zeiten wichtig ist, nicht ins Jammern zu verfallen. Wir sollten uns lieber überlegen: Was können wir tun, dass sich bei uns etwas ändert?“
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